Historischer Hintergrund
“Einige Aussagen zum historischen Hintergrund des Schul- und Heimatfestes in Jessen …”
Am Anfang stand einmal die Kantorei. Der Kantor war gleichzeitig der Lehrer und beide Institutionen – Kirche und Schule – waren durch diese Person aufs Engste miteinander verbunden. Die Schulkinder waren auch die Kantoreikinder und für diese wurde 1838 das erste Schulfest ausgerichtet. Es trat an die Stelle der bis dahin üblichen ”Sangumgänge”. Hier zogen an zwei Tagen – um Neujahr, dem Fest der Heiligen drei Könige, und dem Gregoriustag ( 12. März) – die Kantoreikinder gemeinsam mit dem Kantor und den übrigen Klassenlehrern durch die Stadt und sangen geistlich Lieder. Dafür sammelten sie Geld, wurden auch bewirtet und vergnügten sich auf allerlei Weise.
Da verschiedene Bürger der Stadt der Meinung waren, dass sich bei den Umgängen „Unzuträglichkeiten herausstellten” und sich diese nicht nur bei den Erwachsenen sondern auch bei den Kindern zeigten, bat am 19. Juli 1837 der damalige Jessener Rektor Kühnast im Namen der gesamten Lehrerschaft den Superintendenten Thieme ”die nicht mehr zeitgemäße Sitte abzuschaffen”. Dieser Bitte entsprach man auch in einer Stadtversammlung, wo aber deutlich zum Ausdruck kam, dass man an alten Traditionen hing. Jedoch beharrte die Lehrerschaft auf die Erfüllung ihres Wunsches.
In den ”Kindheitserinnerungen” von Karl Lamprecht, der in Jessen geboren ist, heißt es: ”Um der Schuljugend das gesellige Vergnügen, welches sie bisher wenigstens beim Umgang gehabt hat, nicht zu entziehen, soll alljährlich in der freundlichen Jahreszeit ein Schulfest gefeiert werden.” Das erste Schulfest wurde bereits im folgenden Jahr, am 12. August 1838, ausgerichtet. Das Programm sah so aus, dass sich die Schüler in ihren Klassen versammelten und ihre Lehrer sie zum Marktplatz führten. Hier wurde Aufstellung genommen, gesungen und eine Rede gehalten. Mit Musik zog man dann zum ”Spielplatze” aus und dort vergnügten sich die Knaben mit Armbrustschießen und die Mädchen mit Topfschlagen. Damit sollte das Fest an diesem Tag schon beendet sein, denn eine noch spätere Erlaubnis zum Tanzen zu geben , hielt man für sehr bedenklich. Sollte das Fest an zwei Tagen gefeiert werden, konnte dann am Montag getanzt werden.
Seit dem 24. Schul- und Heimatfest feiern die Jessener ihr schönstes Fest des Jahres immer um den 2. Sonntag im August. Mit Ausnahme der Kriegsjahre machten sie dies in jedem Jahr mit viel Liebe und Heimatverbundenheit und so ist es auch noch heute.
Die Dauer des Festes hat sich von ursprünglich einem Tag auf über eine Woche erweitert und die Programmpunkte gehen weit über das Armbrustschießen und Topfschlagen hinaus . Diese Spiele sind jedoch auch heute noch Bestandteil des jeweiligen Kinderfestes.
Die gesamte Vorbereitung und Durchführung des Festes liegt in den Händen des Jessener Schul- und Heimatfestvereins e.V., der bei der Stadt dabei stets Unterstützung findet. Dem Verein ist es seit seinem Bestehen gelungen, unter Wahrung und Wiederbelebung alter Traditionen in jedem Jahr ein Fest durchzuführen, das so vielfältig ist, dass wirklich für jeden etwas dabei ist und Tausende nach Jessen strömen lässt, um sich wiederzusehen oder sich neu bekannt zu machen –
kurz gesagt, um für eine kleine Weile die Sorgen des Alltags zu vergessen
und gemeinsam zu feiern.
Simone Woick